Das grenzenlose Europa der Regionen

Ländergrenzen sind ausgedacht. So trivial dieser Satz ist, so wenig haben ihn die Menschen verinnerlicht. Grenzen, Grenzkontrollen, Pässe, Wir vs. die Anderen ist so fest verankert, dass es als gottgegeben gilt. Nur: Grenzen sind ausgedacht. Richtig begreiflich wird das, schauen wir über die letzten 200 Jahre hinaus: Zur Monarchie wurden Grenzen so gezogen, wie geheiratet wurde. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war also ein Ländergrenzenneugemale, wo die tatsächliche Zugehörigkeit durch regionale Eigenheiten bedingt wurde und nicht durch imaginäre Linien.

„Wart mal, willst du die Monarchie zurück?“ Nein, keinesfalls! Es gibt andere Modelle ohne eine unveränderliche Geburtsrechtsabhängigkeit von fetten, faulen Königen: Eine kleinteilige Bottom-Up-Demokratie, in welcher Regionen sich selbst organisieren und über Verträge und Räte überregionale Grundsätze und Handlungen organisieren.

Das schöne ist, dass wir mit der EU schon fast so etwas haben. Nur dass darunter sehr viele Ebenen liegen, die alle Top-Down organisiert sind. Um es nicht ausufern zu lassen, schauen wir uns mal Deutschland an.

In Deutschland werden die Räte in den Kommunen direkt gewählt. Diese Kommunen erhalten ihre Gelder und ihre Rechtsvorgaben vom Bundesland, dessen Parlament wiederum teils direkt, teils indirekt gewählt wird. Die Bundesländer nehmen nun jedoch nicht alle Aufgaben wahr, sondern nur diese, die der Bund an sie abgetreten hat. Der Bund wiederum ist ebenfalls teils direkt und teils indirekt gewählt.

Wir haben hier also drei Ebenen auf denen unterschiedliche politische Zusammensetzungen entstehen können. Das führt automatisch dazu, dass ein linksgeführtes Leipzig im AfD-Bundesland Sachsen unter einer Ampel-Koalition keine anständige Politik machen kann. Drängende Fragen vor Ort wie Wohnraummangel, Verkehrsplanung, Schulsysteme, Soziale Leistungen oder Steuern werden übergestülpt und führen zu Handlungsunfähigkeit. Um diese Handlungsunfähigkeit zu vermeiden, hilft der Bottom-Up-Ansatz: Anstatt drei unterschiedliche Kammern zu wählen, die sich top-down in ihren Kompetenzen beschneiden, wird nur die unterste Kammer direkt gewählt. Diese wiederum entsendet Vertretungen in gemeinsame überregionale Räte, welche wiederum Vertretungen in die EU entsenden.

Für Deutschland bedeutet das, die Bundesländer aufzulösen und den Bundestag durch Entsendungen aus den Kommunen zu besetzen. Oder direkt in das EU-Parlament und den EU-Rat zu entsenden.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Durch dieses Prinzip liegt die Steuerhoheit und die Gegebenheiten vor Ort in der Hand der Kommunen. Theoretisch ermöglicht dieses System sogar nationalsozialistische Regionen. Allerdings kommt hier die größere Gemeinschaft zum Tragen: Wie auch schon jetzt profitieren die Kommunen natürlich von Handel, Austausch und Freizügigkeit und stehen deshalb unter Druck, gemeinsame Werte wie die Menschenrechte einzuhalten.

Tatsächlich könnten die Kommunen sogar in einem Zufriedenheitswettbewerb um Menschen wetteifern. Denn nur da, wo die Bedingungen gut sind, siedeln sich die Menschen an. Im Moment ist es durch eine unsoziale Bundespolitik überall gleich scheiße. Haben die Kommunen die Hoheit über Steuern, Sozialpolitik und Stadtplanung in der Hand, entscheiden sie selbst, wie utopisch das Leben in ihnen ist.

Dieser Vorschlag basiert auf alten Ideen und vor allem anarchististische Bewegungen lieben die Idee der Räterepublik. Hier wird zusätzlich der Gedanke der Grenzenlosigkeit verknüpft, da Kommunen keine Landesgrenzen besitzen. Die damit automatisch entstehende Freizügigkeit für alle Menschen innerhalb der EU, sollte es Wert sein, demokratische Top-Down-Prinzipien hinter sich zu lassen.

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